Wer bezahlt die neue Straße?
Eigentlich dürfte es keine Überraschung sein, wenn die Gemeinde einem Haus- oder Wohnungsbesitzer eine Rechnung über Erschließungs- bzw. Straßenausbaubeiträge schickt. Denn die damit verbundenen Maßnahmen waren angekündigt und für die Anwohner sichtbar. Trotzdem ist die Höhe der Rechnung oft ein Schock, führt sogar dazu, dass Kredite aufgenommen oder gar das Haus verkauft werden muss. Stellt sich die Frage: Darf die Kommune das? Ja, sie darf.
Rechtsgrundlage sind neben den landesgesetzlichen Regelungen die ortsrechtlichen Satzungen der Kommunen. Gemeinden und Kommunen können ihre Bürger am Bau von Straßen und Abwasserkanälen beteiligen. Der zentrale Gedanke ist: „Wer die Möglichkeit hat, die Straße zu benutzen oder sein Grundstück durch das Anlegen der Straße zu bebauen, soll sich an den Herstellungskosten beteiligen“, so Birgit Wagner, Verwaltungsdirektorin des hessischen Städte- und Gemeindebundes.
Wofür müssen Anlieger zahlen?
Grundsätzlich darf die Gemeinde in einer Neubausiedlung die klassischen Erschließungskosten für Straßen-, Gas-, Wasser- und Stromleitungen mindestens teilweise auf die Anlieger umlegen.
Aber auch in einer schon bestehenden Wohnsiedlung können Kosten anfallen. Zum Beispiel beim Bau zusätzlicher Straßen sowie der Erweiterung und der Instandhaltung der vorhandenen Straßen. Dabei ist es allerdings ein wesentlicher Unterschied, ob eine Straße komplett erneuert, durch Umbauten, z.B. Verbreiterung oder das Anlegen von Radwegen wesentlich verbessert oder die Straße nur instandgehalten wird. Die Instandhaltung - etwa die Ausbesserung von Schlaglöchern - ist allein Sache der Kommune.
Wenn jedoch eine alte, abgenutzte Straße wieder in ihren ursprünglichen Zustand gebracht wird, ist das eine Erneuerung. Allerdings gilt eine bestimmte Mindestnutzungsdauer, bei Hauptverkehrsstraßen ca. 25 Jahre, wenig befahrene Straßen in Wohngebieten sollten dagegen 40 Jahre halten. In der Zwischenzeit muss die Gemeinde die Straße laufend instand halten. Es soll Fälle gegeben haben, dass Kommunen die Instandhaltung ihrer Straßen bewusst haben schleifen lassen, bis eine Grundsanierung nötig ist. Die müssen die Anlieger dann mitbezahlen.
Auch wenn die Nutzungsmöglichkeit einer vorhandenen Straße verbessert wird, darf die Kommune dafür Beiträge von den Anliegern verlangen. Das betrifft zum Beispiel die Anlage von Parkstreifen, Rad- und Gehwegen, den Bau von Straßenbeleuchtung, die Asphaltierung einer Kopfsteinpflasterstraße und die Verbreiterung, um die Verkehrslast besser bewältigen zu können. Ob und in welchem Umfang solche Arbeiten notwendig sind, entscheidet ausschließlich die Gemeinde.
Was darf umgelegt werden?
Grundsätzlich gilt: Je mehr Fremdverkehr durch die Straße fließt (es geht hauptsächlich um Straßen!), desto weniger darf die Kommune auf die Anlieger umlegen. Üblich sind bei Anliegerstraßen 75 Prozent der Kosten, bei Haupterschließungsstraßen 60 bis 70 Prozent und bei Hauptverkehrsstraßen 25 bis 60 Prozent. Bei der Berechnung wird in erster Linie die Grundstücksfläche berücksichtigt, aber es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen Kommunen. In einigen Satzungen wird die Länge der angrenzenden Grundstücksgrenze herangezogen, so dass Eckgrundstücke benachteiligt sind, anderswo wird für mehrgeschossige Häuser ein höherer Beitrag fällig oder es wird zwischen Wohngrundstücken und gewerblich genutzten Grundstücken unterschieden. Eine absolute Höhe zu nennen, ist schwierig. In einschlägigen Veröffentlichungen ist von 3-50 €/m² die Rede - eine große, nicht handhabbare Bandbreite. Es kommt darauf an, ob Kommunen günstig oder weniger günstig bauen lassen. Für ein 1000 m² großes Grundstück mit Einfamilienhaus im Berliner Umland werden beim Bau einer Wohngebietsstraße mit Straßenbeleuchtung zwischen 10.000 und 20.000 Euro gefordert. Gezahlt werden muss in der Regel innerhalb von 4 Wochen, eine grundsätzliche Deckelung gibt es nicht. In 6 Bundesländern ist es laut Kommunalabgabengesetz möglich, statt der einmaligen Rechnung wiederkehrende Beiträge zu erheben. Es werden dann jedes Jahr alle umlagefähigen Straßenbaukosten auf alle Grundstückseigentümer der Gemeinde umgelegt.
Davon betroffen sind auch Wohnungseigentümergemeinschaften. Bezahlt wird nach dem in der Teilungserklärung festgelegten Miteigentumsanteil. Eine Umlage auf Mieter ist nicht möglich.
Ich möchte ein Haus haben?
Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein Haus zu bauen oder zu kaufen, sollte sich auf jeden Fall mit der Thematik gründlich auseinandersetzen. Ein Grundstück gilt laut Baugesetzbuch dann als erschlossen, wenn die Anbindung an das öffentliche Straßennetz, die Versorgung mit Strom und Wasser und die Abwasserentsorgung gewährleistet ist. Die Erschließung ist zwar Aufgabe der Gemeinden und in den allermeisten Fällen sind die angebotenen Grundstücke auch erschlossen. Trotzdem sollte man sich vor dem Kaufvertrag eine schriftliche Bestätigung über den Stand der Erschließung und voraussichtliche künftige Kosten besorgen. Darüber hinaus benötigt man natürlich die Leitungen für Telekommunikation, Gas und Fernwärme. Diese müssen im Einzelfall nicht zwingend vorhanden sein. Aber man muss daran denken und mögliche Kosten kalkulieren.
Gerade wer in den Medien (Internet, Presse) ein Grundstück sucht, muss darauf achten, ob das angebotene Grundstück auch erschlossen ist. Bei den Bodenrichtwerten handelt es sich stets um Preise erschlossener Grundstücke. Von einem Erschließungs- oder Bauträger kauft man immer erschlossene Grundstücke. Diese haben vorher ein größeres Grundstück gekauft, haben es erschlossen, geteilt und Grundbuchblätter anlegen lassen. Die Kosten werden auf den Kaufpreis umgelegt und liegen zwischen 30 und 50 €/m². Die Chancen, Anlieger-und Erschließungsbeiträge von der Steuer abzusetzen, sind nicht besonders gut. Ob die Aufwendungen als abzugsfähige Handwerkerleistung anerkannt werden, hängt vom jeweiligen Amt ab. Meist scheitert es schon daran, dass die Arbeitsleistung im Bescheid nicht separat ausgewiesen ist.
Abschließend darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Erhebung von Straßenbaubeiträgen zunehmend in der Diskussion steht. In Baden-Württemberg dürfen die Kommunen keine verlangen, in Berlin und Hamburg zumindest für den Ausbau auch nicht mehr. In Schleswig-Holstein wurde die Gemeindeordnung erst in diesem Jahr dahingehend geändert, dass es keine Erhebungspflicht mehr gibt und in Bayern wird die Abschaffung der Erhebungspflicht ins Auge gefasst. Solange keine hundertprozentige Klarheit besteht, sollte man auf jeden Fall prüfen, ob ein Bescheid rechtens ist, wenn er denn vorliegt.