Es ging durch alle Medien: Die Grundsteuer ist verfassungswidrig. Wie denn das? Die Grundsteuer gehört zu den ältesten direkten Steuern in Deutschland. Sie wurde schon im Mittelalter als kirchlicher und grundherrlicher Grundzehnt und Grundzins eingezogen und kommt jetzt auf den Prüfstand.
Grundsteuer - was ist das?
Die Grundsteuer ist eine sogenannte Substanzsteuer - die Substanz ist in dem Fall die Immobilie, also das Grundstück, die Bebauung und gegebenenfalls auch ein Erbbaurecht. Besteuert wird also nicht eine juristische oder natürliche Person, sondern ein Objekt. Gesetzliche Grundlage ist das Grundsteuergesetz (GrStG). Die Grundsteuer wird jeweils für ein Kalenderjahr festgesetzt und ist jährlich zu bezahlen.
Grundlage der Berechnung ist ein von der Finanzbehörde festgelegter Einheitswert, den es für jedes der 35 Millionen Grundstücke in Deutschland gibt. Diesen Einheitswert multipliziert das Finanzamt mit der Grundsteuermesszahl. Die variiert ja nach Grundstücksart und Gemeindegröße zwischen 2,6 und 10 Promille, bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus sind das z.B. 3,5 Promille. Und dann wird das Ganze – und das ist entscheidend – noch einmal mit dem individuellen Hebesatz der Gemeinde multipliziert. Durch die verschiedenen Hebesätze sind die Grundsteuern trotz gleicher Einheitswerte unterschiedlich hoch. Im Bundesdurchschnitt liegt der Hebesatz bei 410 Prozent, in Berlin bei 810 Prozent (der höchste!), in Hessen bei 333 Prozent (der niedrigste!) Allerdings liegt die Kommune mit dem höchsten Hebesatz auch in Hessen: Nauheim mit 960%.
Ein Beispiel: Ein bebautes Grundstück einer bestimmten Größe hat in Berlin, Hamburg und Potsdam denselben Einheitswert von 50.000 € und dieselbe Grundsteuermesszahl von 3,5 Promille. Daraus ergibt sich ein einheitlicher Messbetrag von 175 €. In Berlin beträgt der Hebesatz 810%, also werden 1.417,50 € Grundsteuer fällig, in Hamburg beträgt der Hebesatz 540 %, ergibt 945 € Grundsteuer und in Potsdam 493 %, also 862,75 € Grundsteuer pro Jahr.
Es wird zwischen 2 Grundsteuerarten unterschieden: Die Grundsteuer A für Grundstücke der Land und Forstwirtschaft bringt den Kommunen 0,4 Mrd. Euro pro Jahr. Viel wichtiger ist die Grundsteuer B für bebaute und unbebaute Grundstücke, Erbbaurechte und Teileigentum. Die Grundsteuer B bringt 13,7 Mrd. Euro – eine sehr wichtige Einnahmequelle.
Wo ist das Problem?
Am 10. April erklärte das Bundesverfassungsgericht die Einheitswerte als Bemessungsgrundlage der Grundsteuer als verfassungswidrig. Diese wurden in den alten Bundesländern 1964 festgelegt, in den neuen Bundesländern sind nach wie vor die Werte von 1935 gültig. Vorgesehen war ursprünglich, dass die Einheitswerte alle 6 Jahre angepasst werden. Der Aufwand dafür ist allerdings recht hoch, deshalb ist es dazu nie gekommen. Das Thema wurde schlicht und einfach ausgesessen. Deshalb werden alte und neue Häuser häufig unterschiedlich besteuert, obwohl sie in vergleichbarer Lage sind und ähnliche Mieten erzielen. Heute zahlt der Eigentümer einer Gründerzeitvilla in begehrter Lage genauso viel Grundsteuer wie der Eigentümer eines Hauses in weniger guter Lage, weil der Immobilienmarkt 1964 ein anderer war als der von 2018. Die Werte der Immobilien haben sich unterschiedlich entwickelt – das muss bei einer Neubewertung berücksichtigt werden.
Wie das künftig gehandhabt wird, ist allerdings noch völlig unklar. Der Gesetzgeber hat bis Ende 2019 Zeit, eine verfassungskonforme Lösung zu finden. Die Kommunen müssen bis Ende 2014 die neue Grundsteuer eingeführt haben. Das Gericht begründet diesen verhältnismäßig langen Zeitraum erstens damit, dass die Neubewertung sehr schwierig und zeitaufwendig ist und dass zweitens die Finanzierungsgrundlagen der Kommunen nicht gefährdet werden dürfen.
Seitdem kochen die Diskussionen hoch. Kommunen befürchten Einnahmeverluste, Mieter und Firmen neue Lasten. Jeder weiß, dass sich insbesondere in den Innenstädten der Metropolen, die Werte vervielfacht haben. In demselben Maße kann die Grundsteuer dort aber nicht steigen. Die Belastung der Immobilienbesitzer wäre immens. Allerdings kann die Grundsteuer auf die Mieter umgelegt werden – dem sind aber Grenzen gesetzt.
Unterschiedliche Interessen
Jetzt beeilen sich die Akteure, ihre Forderungen zu formulieren. Der Eigentümerverband fordert, dass es beim Gesamtsteueraufkommen von ca. 14 Milliarden Euro bleiben muss, der Mieterbund, dass die Umlagemöglichkeit der Grundsteuer auf die Miete begrenzt oder sogar ersatzlos abgeschafft wird. Letzteres würde aber sicher viele Hauseigentümer überfordern und hätte auch negative Auswirkungen auf den Wohnungsneubau. Führende SPD-Landespolitiker fordern, dass die Chance genutzt werden muss, vermögende Immobilienbesitzer stärker zu besteuern, um so dem Prinzip der Leistungsfähigkeit bei der Besteuerung gerecht zu werden. Ob das dem Prinzip der Gleichbehandlung gerecht wird, ist fraglich.
Im Übrigen geht es nicht nur um Wohnungen, sondern ebenso um Gewerbeimmobilien. Auch der Bundesverband der Industrie (BDI) warnt vor einem erhöhten Aufwand für Betriebe, vor „Steuererhöhungen durch die Hintertür“.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte nach dem Urteil sowohl Steuererhöhungen für Grundeigentümer als auch Mieterhöhungen ausgeschlossen. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes relativiert das und sagt: „In Einzelfällen werden Eigentümer sicher mehr bezahlen müssen, in anderen weniger.“
Lösungsvorschläge
Die Interessenslagen sind also unterschiedlich, daraus folgernd auch die Vorschläge für die Neubewertung. 3 Modelle liegen auf dem Tisch:
- Der Mieterbund, NABU u.a. wollen die Grundsteuer zu einer reinen Bodensteuer machen. Grundlage wären die bereits vorliegenden Bodenrichtwerte, die Bebauung spielt dann keine Rolle. Es wäre dann teuer, Grundstücke unbebaut zu lassen und daraus folgernd würden mehr Wohnungen gebaut werden. Dadurch würden Mieter entlastet und die Besitzer von Einzelhäusern belastet.
- Die meisten Länder (außer Hamburg und Bayern) wollen einfach neu bewerten, indem die Bodenrichtwerte mit den pauschalen Baukosten für die Gebäude kombiniert werden. Durch den Bezug auf den Bodenrichtwert würde es insbesondere in Großstädten zu deutlich höheren Steuern kommen. Es würde zu großen Unterschieden zwischen ähnlichen Gebäuden innerhalb einer Gemeinde führen.
- Hamburg und Bayern wollen einheitliche Messzahlen in Euro pro Quadratmeter für Grundstücks- und Gebäudeflächen festlegen. Der Aufwand wäre vergleichsweise gering. Unbebaute Grundstücke würden weniger besteuert – einen Anreiz zum Neubau gibt es nicht.
Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht übrigens vor, zusätzlich eine Grundsteuer C ausschließlich für unbebaute Grundstücke einzuführen. Diese wäre dann vergleichsweise hoch und soll die Bebauung dieser Grundstücke ankurbeln.
Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass nach wie vor die Forderung im Raum steht, die Grundsteuer komplett abzuschaffen. Schließlich hat der Immobilienbesitzer schon Grunderwerbsteuer und in der Regel auch Erschließungskosten bezahlt – verfassungskonform wäre dies wohl auch. Allerdings ist die Chance, das durchzusetzen sehr gering. Das Bundesfinanzministerium hat eindringlich davor gewarnt und die Kommunen argumentieren erwartungsgemäß, dass eine Kompensation dieser Einnahmen nicht möglich ist.
Es wird dabei bleiben, dass die Grundsteuer erhoben wird und dass bei einer Neuregelung – egal wie diese aussieht – der Hebesatz in irgendeiner Form bestehen bleibt. Auf diese individuelle Gestaltungsmöglichkeit werden die Kommunen nicht verzichten.
Man muss grundsätzlich davon ausgehen, dass für Immobilien, deren Wert in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, auch die Grundsteuer steigen wird, umgekehrt wird sie in heute schlechteren Lagen sinken. Auch wenn die Grundsteuereinnahmen, wie vielfach gefordert, in der Summe nicht steigen, so werden trotzdem einzelne Eigentümer bzw. Mieter stärker belastet werden.